Jan Wohlgemuth
Das Problem einer Wortarteneinteilung in der Bahasa Indonesia
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Wie diese Arbeit zeigt, sollte man den Wortschatz nicht in scharf umrissene Klassen einteilen, da man immer auf Wörter stoßen wird, die sich nicht eindeutig einer der Klassen zuordnen lassen, da sie sich im Hinblick auf einzelne Einteilungskriterien wie einer anderen Klasse zugehörig verhalten.
Vielmehr hat der Wortschatz m.E. Bereiche, zu denen sich die Wörter nach ihren Eigenschaften zuordnen lassen. Dabei gibt es Kernbereiche, in denen die Wörter zu finden sind die alle Kriterien für den jeweiligen Bereich erfüllen, und die deshalb "voll adjektivisch" oder "voll substantivisch" zu nennen sind. Diese Kernbereiche gehen über in Zonen zwischen den Kernbereichen, in denen die übrigen Wortschatzelemente zu finden sind, und in denen sich zwei Typen von Achsen befinden, die zwei oder mehr Kernbereiche miteinander oder einzelne Lexeme mit verschiedenen Bereichen verbinden, an deren Eigenschaften sie Anteil haben.
Partikel, die sich nicht zu diesen Kernbereichen zuordnen lasen, sind zumeist in der Nähe eines Kernbereichs zu finden, und mit diesem durch eine Beziehungsachse verbunden, wie beispielsweise sekali (Nr. 36), das sich nur auf adjektivische Wortschatzelemente beziehen kann.
Lexeme, die Eigenschaften von mehreren Bereichen in sich vereinen, ordnen sich auf Zuordnungsachsen an, welche diese Kernbereiche miteinander verbinden. So wird beispielsweise besar (Nr. 1) auf einer Zuordnungsachse zwischen adjektivischem und substantivischem Kernbereich angeordnet und hat dort eine seinem Grade an Adjektivität bzw. Substantivität entsprechende feste Position, die – genügende und passende Kriterien angelegt – ähnlich wie in einem Koordinatensystem angegeben werden könnte.
Ich möchte von da her nicht von einer Klassifikation, sondern lieber von einer Positionierung (im Wortschatz) sprechen, die mit diesem Modell vorgenommen werden kann.
Unter teilweiser Verwendung des Beispielmaterials von Teeuw und Dreyfuss, sowie der Beispielwörter aus Kapitel 3 habe ich versucht, das Beziehungsgeflecht dieser Lexeme grafisch darzustellen (vgl. Abb. 2). Dabei möchte ich die in den vorgenannten Aufsätzen bereits gewonnenen Erkenntnisse zum Grad an Substantivität bzw. Adjektivität in die Darstellung einfließen lassen.
In der Abbildung stehen aus Platzgründen Nummern für die einzelnen Wörter; die Zuordnung kann aus der untenstehenden Tabelle 4 entnommen werden. Ebenfalls aus Platzgründen mußten die abgeleiteten Formen aus Dreyfuss' Darstellung entfallen, da bereits eine große Anzahl Punkte auf den entsprechenden Zuordnungsachsen eingezeichnet sind, und die Darstellung sonst zu unübersichtlich würde. Prinzipiell sollten aber auch diese Formen im selben Schema darstellbar sein.
Nr. | Lexem | Bedeutung | Nr. | Lexem | Bedeutung |
---|---|---|---|---|---|
1 | besar | groß, Größe, Großsein | 21 | rumah | Haus |
2 | biar | lassen, um zu, damit | 22 | tidak | nicht, nein |
3 | bicara | sprechen, beschäftigt, Meinung | 23 | bukan | nicht, nein |
4 | hujan | Regen, regnen | 24 | ini, itu | dieser/diese/dieses |
5 | jalan | Weg, Straße, laufen, gehen | 25 | satu | eins, einer/eine/ein |
6 | kalah | besiegt, verlieren, weniger | 26 | dua | zwei |
7 | mupakat | Besprechung, Erörterung, diskutieren, besprechen, übereinstimmend, einmütig | 27 | orang, ekor, buah |
Mensch, ZEW Schwanz, ZEW Frucht, ZEW |
8 | sampai | ankommen, bis | 28 | ada | sein, es gibt |
9 | takut | Angst, fürchten | 29 | merah | rot |
10 | untuk | für, als, um zu, Anteil | 30 | duduk | sitzen |
11 | bapak, ibu |
Vater, PERS.RON: Mutter, PERS.PRON: |
31 | sesuatu | irgendein |
12 | aku, saya | ich | 32 | datang | kommen |
13 | yang | der/die/das/, was.. betrifft | 33 | kenal | kennen, bekannt |
14 | di, ke, dari |
in nach von |
34 | tidur | schlafen, Schlaf |
15 | atas | oben, Oberseite | 35 | dengan | mit, und |
16 | bawah | unten, unter | 36 | sekali | sehr |
17 | dalam | innen, in, Inneres, Tiefe, tief | 37 | baik | gut, schön |
18 | luar, belakang |
außen, Äußeres, außerhalb hinten, später, Rücken |
38 | wah! | ach! |
19 | antara | zwischen, Zwischenraum | 39 | siapa, apa |
wer was |
20 | dan | und | 40 | Bambang | EIGENNAME |
Zur Positionierung und Einordnung einiger Lexeme und Bereiche möchte ich einige Erläuterungen machen. Ich habe sieben Kernbereiche angesetzt, in denen diejenigen Lexeme zu finden sind, die voll substantivisch, voll pronominal, voll präpositional, voll konjunktional, voll verbal, voll interjektional oder voll adjektivisch sind. Die Anordnung ist nicht willkürlich, sondern folgt zumeist der relativen Nähe verschiedener Bereiche zueinander, die sich dadurch ausdrückt, daß es eine Vielzahl von Lexemen gibt, die einen Übergang zwischen den jeweiligen Bereichen herstellen, und sich eine oder mehrere Zuordnungsachsen zwischen ihnen finden, wie es beispielsweise zwischen dem adjektivischen und dem verbalen Kernbereich sehr deutlich ist. So ist auch der pronominale Bereich in der Nähe des substantivischen Bereichs angeordnet, da sich hier ebenfalls formale und distributionelle Ähnlichkeiten beobachten lassen. Das Beispiel für Personennamen (Bambang, Nr. 40) sowie die Wörter (ba)pak und (i)bu (Nr. 11) habe ich auf der Zuordnungsachse zwischen diesen beiden Bereichen angeordnet, da sie auch oft als Anrede gebraucht werden, also pronominalen Charakter haben.
Der interjektionale Kernbereich liegt außerhalb des Sechsecks, das durch die übrigen Kernbereiche umschrieben wird; ob seine Position in ausschließlicher Nähe zu den adjektivischen Lexemen gerechtfertigt ist, müßte eine genauere Untersuchung dieses Wortschatzausschnitts zeigen, jedoch stehen mindestens diese beiden Bereiche durch Lexeme wie baik (Nr. 37) miteinander in Verbindung.
Zwei Zuordnungsachsen (nämlich die zwischen pronominalem und präpositionalem Kernbereich sowie die zwischen adjektivischem und konjunktionalem Kernbereich) habe ich nur durch gestrichelte Linien eingezeichnet und mit einem Fragezeichen versehen, weil mir kein Beispiele für Lexeme bekannt sind, die auf diesen Achsen anzuordnen wären, ich deren Existenz aber nicht a priori ausschließen möchte.
Des weiteren habe ich beispielsweise die Zähleinheitswörter (Nr. 27) an den Rand des substantivischen Kernbereichs positioniert, und zwar dorthin, wo die Beziehungsachse der Zahlwörter (Nr. 25, 26) hinzielt, um der Beziehung "Zahlwort + Zähleinheitswort + Substantiv" Rechnung zu tragen.
Die klassische Wortart Adverb findet sich in dieser Darstellung nicht als ein eigener Kernbereich wieder. Wie wir schon bei Teeuws Untersuchung gesehen haben (vgl. Kap. 5.2), sind hier die Übergangs- und Überlappungsbereiche so groß, daß ich adverbisch als Teil des adjektivischen Bereichs verstanden wissen möchte.
Zu diesem Versuch einer Lexempositionierung bleibt zu sagen, daß es selbstverständlich eines ausführlicheren Kriterienkatalogs sowie genauerer Tests bedarf, insbesondere für die Wortschatzbereiche, die nicht von Teeuw oder Dreyfuss bereits behandelt worden sind. Dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit bei weitem überschreiten, weswegen ich vorerst auf die Ergebnisse der beiden Autoren zurückgreifen möchte.
Was die darüber hinausgehende Zuordnung bzw. Positionierung von Lexemen betrifft, so habe ich mich zugegebenermaßen zumeist auf meine Intuition und die Beschreibungen aus Lehr- und Wörterbüchern gestützt.
Sinn dieses Kapitels und der Abbildung 2 ist aber auch keineswegs eine definitive Lexempositionierung als Lösung des Problems einer Wortarteneinteilung, sondern lediglich ein Schritt in eine Richtung, die es noch genauer zu erkunden gilt.