Jan Wohlgemuth
Geschichte der deutschen Sprache
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4. Sprachwandel und Sprachkontakt
4.1. Theorie des Sprachwandels
Alle in dieser Zusammenfassung genannten
Erscheinungen und Veränderungen sind Aspekte des Sprachwandels. Die
Betrachtung der Sprachgeschichte ist immer die Betrachtung des
Sprachwandels, da er die Grundbedingung für eine Sprachgeschichte ist.
Er setzt ein, sobald sich innerhalb eines Sprachsystems Variation
bildet. Wenn also beispielsweise die Konjunktion weil
hauptsatzeinleitend ("Weil das ändert sich so.") als genauso
korrekt angesehen wird, wie nebensatzeinleitend ("Weil das sich so
ändert,..."), dann tritt hier Variation auf. Genauso, wie neue
Variationen auftreten, verschwinden alte Variationen, oder werden
verdrängt in bestimmte Sprachschichten bzw. -regionen, so daß sich die
Sprache wie in einem Stammbaum immer weiter verzweigt.
Neben diesem Sprachwandel von innen heraus gibt es
aber auch noch den Sprachkontakt. Kulturelle, wirtschaftliche
und politische Beziehungen zwischen Sprachgemeinschaften sind die
Regel. Der Sprachkontakt führt nahezu zwangsläufig zu Neuerungen in den
betroffenen Sprachen. So wie beispielsweise der Kontakt mit der
römischen Kultur den Germanen römische Güter und Erfindungen brachte,
deren lateinische Bezeichnungen als Lehnwörter (ziagal, fenster)
auch ins Deutsche eingingen. In jüngerer Zeit ist vor allem die
Schwestersprache Englisch Ursprung vieler Lehn- und Fremdwörter, die in
den deutschen Wortschatz gelangen.
Was die Ausbreitung solcher sprachlicher Neuerungen
angeht, gibt es zwei Theorien. Die Wellentheorie geht von einer
strahlenförmigen, strömungshaften Verbreitung aus (vergleichbar mit den
konzentrischen Kreisen, die entstehen, wenn man einen Stein ins Wasser
wirft; Monogenese), die Entfaltungstheorie geht davon
aus, daß die Neuerungserscheinungen zu verschiedenen Zeitpunkten, an
verschiedenen Orten, von verschiedenen Sprechern in unterschiedlicher
Intensität ausgingen (Polygenese).
4.2 Sprachwandel = Sprachverfall?
Seit jeher steht jeder Sprecher einer Sprache den
Veränderungen, die sie durchmacht in einem zwiegespaltenen Verhältnis
gegenüber. Zum einen ist jeder Sprecher beteiligt am Sprachwandel, zum
anderen betrachtet er ihn. Eine konservative Haltung der Sprache
gegenüber verleitet dazu, sprachliche Neuerungen als Verfall anzusehen,
während andere dieselbe Entwicklung als Bereicherung ansehen.
Diese Einschätzung ist eine sehr subjektive, vom
eigenen sprachlich-ästhetischen Empfinden geprägte Meinung. Eine
allgemeingültige Aussage treffen zu wollen, ist sicherlich
unangebracht. Deshalb sollte man auch nicht verurteilen, wer bestimmte
Erscheinungen des Sprachwandels mitmacht oder nicht. Solange dadurch
die Kommunikation nicht ernsthaft gestört wird, sollte jeder sprechen
können, wie es ihm beliebt.
Ein Wegfall sprachlicher Mittel verursacht jedoch in
der Regel keine "Lücken" im System. Es wird also auch weiterhin möglich
sein, auszudrücken, was man vorher ausdrücken konnte, eventuell nur mit
anderen Mitteln.
Wenn es aber keine vom Sprecher getroffene
Entscheidung ist, bestimmte sprachliche Mittel auf bestimmte Weise zu
verwenden, sondern eine Vorschrift "von oben", so provoziert dies
anscheinend per se eine ablehnende Reaktion. Ein gutes Beispiel dafür
ist die aktuelle Rechtschreibreform. (vgl. Kap.
3.3.2).
5. Literatur zum Thema
Aufgrund der Komplexität des Themas habe ich zu den
meisten Sachverhalten mehrere Werke konsultiert, so daß mir eine
Quellenkennzeichnung zu einzelnen Übernahmen sinnlos erschien, da sie
sonst sicherlich mehrere hundert Fußnoten gefordert hätte. Wer
Interesse an einzelnen Problemen hat, wird sicherlich nicht nur auf
eines der angeführten Werke zurückgreifen.
Folgende Literatur habe ich dieser Zusammenfassung
zugrunde gelegt bzw. kann ich für ein vertiefendes Studium empfehlen.
In den meisten angegebenen Werken finden sich weitere ausführliche
Bibliographien zur Thematik.
- Bach, Adolf: Geschichte der deutschen Sprache.
9., durchges. Aufl. Wiesbaden: VMA, 1986.
- Baugh, Albert C. / Cable, Thomas:
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Sprachstufen und zur deutschen Sprachgeschichte. Von Rolf
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- Bergmann, Rolf / Pauly, Peter /
Moulin-Frankhänel, Claudine: Neuhochdeutsch.
Arbeitsbuch zur Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Von
Rolf Bergmann und Peter Pauly. 4., erw. Aufl. Bearb. v. Rolf Bergmann
u. Claudine Moulin-Frankhänel. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht,
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- Braune, Wilhelm / Ebbinghaus,
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Von Wilhelm Braune. 15., verb. Aufl. Bearb. v. Ernst A. Ebbinghaus.
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- Braune, Wilhelm / Ebbinghaus,
Ernst A. [Bearb.]: Gotische
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Neubearb. v. Ernst A. Ebbinghaus. Tübingen: Niemeyer, 1981. (= Sammlung
kurzer Grammatiken germanischer Dialekte; A, Hauptreihe; 1).
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aktualis. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kröner, 2002.
- Deutsche
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Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung.
Hrsg. v. Werner Besch, Oskar Reichmann, Stefan Sonderegger. 2.
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Englische Sprache. Mit 130 Abbildungsseiten in Farbe. München:
dtv, 2002.
- Wolff, Gerhart [Hrsg.]: Arbeitstexte für den Unterricht. Deutsche
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bibliogr. erg. Ausg. 1989. Stuttgart: Reclam, 1989. (= Arbeitstexte für
den Unterricht; Reclams Universalbibliothek; 9582).
Sowie eigene Mitschriften zu den Proseminaren
"Einführung in die Geschichte der deutschen Sprache" (WiSe
1995/96 und WiSe 1996/97),
"Einführung in die Analyse der deutschen Gegenwartssprache"
(SoSe 1996) und
"Einführung in die älteren Sprachstufen des Deutschen" (WiSe
1996/97)
gehalten von Dr. Henning von Gadow†, Institut für Deutsche Philologie I
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Fragen, Ergänzungen, Korrekturen, Proteste an:
linguist@spamcop.net
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Zuletzt geändert: 27. September 2004
Erstmals erstellt: 18. April 1998
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