1. Vorbemerkung
2. Sprachgenealogische Einordnung und Entwicklungsgeschichte
3. Phonologie und Graphie
4. Morphologie
4.1 Allgemeines
4.2 Das sogenannte "Passiv"
5. Syntax
6. Besonderheiten
6.1 Die Wortartenproblematik
6.2 Zähleinheitswörter
7. Abschließender Hinweis
Dieser Text ist die schriftliche Fassung meines Vortrags, den ich auf der XXIII. StuTS 1998 in Leipzig gehalten habe. Es ergibt sich von selbst, daß im Rahmen eines solchen Vortrags nur ein relativ grober Überblick vermittelt werden kann und viele (interessante) Einzelheiten vernachlässigt werden müssen.
Bahasa Indonesia (Indonesisch) ist eine Sprache der austronesischen Sprachfamilie, und gehört zusammen mit Madegassisch (Malgasy), Sundanesisch, Javanisch, Malaysisch (Bahasa Melayu) zur sogenannten westlichen Gruppe dieser Familie. Die östliche Gruppe umfaßt Sprachen wie Maori, Hawaiianisch, Samoanisch u.v.m.
Ich unterscheide hier zwischen Malaysisch und Malaiisch, da ich Malaiisch als Bezeichnung für die gemeinsame Ursprungssprache verwenden möchte, aus der die Bahasa Indonesia und die Bahasa Melayu entstanden sind.
Seit dem siebten nachchristlichen Jahrhundert ist das Altmalaiische belegt, seit ungefähr dem 14. Jahrhundert gibt es malaiische Zeugnisse, die teilweise (einhergehend mit der Islamisierung) in arabischer Schrift, teilweise in eigenen Schriftsystemen (z.B. Javanisch) abgefaßt sind.
Bereits das Altmalaiische weist deutlich Einflüsse des Sanskrit auf (z.B. saudara 'Bruder', saudari 'Schwester'), durch den Islam werden Arabische Einflüsse auf den Wortschatz stärker, besonders in den Bereichen Religion, Literatur und Rechtswesen, durch Handelskontakte fließen Wörter aus dem Chinesischen, dem Tamil und dem Hindi ins Malaiische ein. Bereits vor der europäischen Kolonialisierung war das Malaiische eine lingua franca im südostasiatischen Raum, und sie blieb es auch weiterhin, natürlich nicht, ohne nunmehr auch durch die Sprachen Europas beeinflußt zu werden. So finden sich vor allem englische, portugiesische, niederländische, aber auch (mittelbar über diese Sprachen) griechische und lateinische Wörter im Malaiischen wieder.
Die starke Beeinflussung durch die Sprachen der Kolonialmächte führte dann seit dem 16. Jahrhundert zu einer langsamen Aufspaltung: In Malaysia wurde der englische Einfluß maßgebend, in Indonesien der niederländische, so daß sich zwei Idiome herausbildeten, die aber noch heute weitgehend untereinander verstehbar sind.
Mit der Unabhängigkeitsbewegung wurde in Indonesien Ende der 20er Jahre dieses Jahrhunderts auch der Ruf nach einer gemeinsamen, einheitlichen Staatssprache laut: "Ein Land. Ein Volk. Eine Sprache!" war ein verbreiteter Slogan, in dessen Gefolge erstmalig von einer "Bahasa Indonesia" ('Sprache Indonesien') die Rede war.
Es sollte aber noch bis zum 27.12.1949 dauern, bis die Republik Indonesien ihre Unabhängigkeit proklamieren und den Jakarta-Dialekt (Omong Jakarta) als Bahasa Indonesia (BI) zur Staatssprache erklären konnte. Seitdem ist die BI offizielle Sprache der über 200 Millionen Indonesier. Anzumerken bleibt, daß viele erst in der Schule mit der BI konfrontiert werden, und ansonsten ihre regionalen Sprachen pflegen, so daß mit Sicherheit nicht von einer auch nur annähernd so großen Zahl an Muttersprachlern der BI auszugehen ist.
Die Phonologie der BI ist relativ unspektakulär, sie weist keine "exotischen" Laute auf. Einen großen Vorteil hat der deutsche Indonesischlerner, denn ihm ist das Phänomen der Auslautverhärtung schon bekannt, das es auch in der BI gibt.
Das Konsonanteninventar der BI umfaßt die folgenden Phoneme:
Anm.: Da die IPA-Sonderzeichen nicht zum Standardzeichensatz gehören, habe ich sie hier ersetzt:
/?/ soll für den Glottisverschluß stehen
/d3/ soll für die stimmhafte palatale Affrikate, also die stimmhafte Variante von /tò/, stehen
/ñ/ soll für den velaren Nasal (wie in Klang) stehen.
/E/ soll für den zentralen Murmelvokal ("Schwa") stehen.
Die in runden Klammern gesetzten Phoneme sind nur im weiteren Sinne als Phoneme der BI anzusehen, da sie ausschließlich in Fremdwörtern vorkommen.
Es gelten folgende phonologische Regeln:
1.) [+voice] --> [-voice] / _# (Auslautverhärtung)
2.) /k/ --> /?/ / _# (Lautwandel am Wortende)
Die Vokalphoneme der BI sind:
/i/ /u/ /e/ /E/ /o/ /a/
sowie die Diphthonge /ai/ /au/ /oi/, alle anderen Vokalkombinationen werden getrennt gesprochen.
Es ist immer die vorletzte Silbe eines Wortes betont, sofern sie nicht ein /E/ enthält. Die Silbenstruktur ist in der Regel
Einsilbige Lexeme sind sehr selten, mehrsilbige Lexeme sind zumeist Fremdwörter, es treten jedoch mehrsilbige Ableitungsformen durch Reduplikation und Iteration auf.
Die Schreibung der BI ist beneidenswert einfach und logisch. Die niederländischen Kolonialherren verpaßten der Indonesischen Sprache 1947 eine Orthographie nach niederländischem Muster, die jedoch 1972 im Rahmen einer Reform zugunsten einer Idealschrift verworfen wurde, die sich etwas an die Orthographie in Malaysia und Singapur annäherte.
Phonem |
Graphem (neu) |
Graphem (alt) |
Phonem |
Graphem (neu) |
Graphem (alt) |
/b/ |
<b> |
<b> |
/j/ |
<y> |
<j> |
/p/ |
<p> |
<p> |
/h/ |
<h> |
<h> |
/d/ |
<d> |
<d> |
/x/ |
<kh> |
<kh> od. <ch> |
/t/ |
<t> |
<t> |
/m/ |
<m> |
<m> |
/g/ |
<g> |
<g> |
/n/ |
<n> |
<n> |
/k/ |
<k> |
<k> |
/nj/ |
<ny> |
<nj> |
/?/ |
<k>1 |
<k> 1 |
/ñ/ |
<ng> |
<ng> |
/d3/ |
<j> |
<dj> |
/l/ |
<l> |
<l> |
/tò/ |
<c> |
<tj> |
/r/ |
<r> |
<r> |
/w/ |
<w> |
<w> |
/i/ |
<i> |
<i> |
/v/ |
<v> |
<v> |
/u/ |
<u> |
<u> |
/f/ |
<f> |
<f> |
/e/ |
<e>2 |
<e> |
/z/ |
<z><s> |
<s> |
/E/ |
<e> |
<e> |
/s/ |
<s> |
<s> |
/o/ |
<o> |
<o> |
/sj/ |
<sy> |
<sj> |
/a/ |
<a> |
<a> |
Die BI kennt keine Flexion, keine Numeri, Genera und Tempora.
Anzahl, Sexus, und Zeit(verhältnis) werden lexikalisch umschrieben, Subjekt-Objekt-Verhältnisse etc. durch die Syntax determiniert.
So hat beispielsweise der Satz
harimau makan babi
'Tiger essen Schwein'
eine Vielzahl möglicher Bedeutungen, die zumeist durch den Kontext klar werden:
'Tiger fressen Schweine'
'Der Tiger frißt ein Schwein'
'Ein Tiger hat die Sau gefressen'
'Die Tigerninnen fraßen den Eber'
Die Frage, ob es beim Verb der BI eine Diathese "Aktiv-Passiv" gibt, ist sehr umstritten, und kann hier nur fragmentarisch angesprochen werden. In der Übersetzung bereiten manche Formen besondere Schwierigkeit, weil sie zwar einem anderen Konstruktionstypus angehören, aber kaum als passivisch aufzufassen sind.
Zum besseren Verständnis hier erst einmal die verschiedenen Formen:
Verbstamm beli 'kaufen'
Verb membeli 'kaufen' (Stamm plus meN- als Transitivitätsmarker)
mit meN ("Aktiv") |
ohne meN ("Passiv") |
||
1. Sg. |
saya membeli buku |
buku saya beli |
|
2. Sg. |
engkau membeli buku |
buku engkau beli |
|
3. Sg. |
dia membeli buku |
buku dia beli |
buku dibelinya |
1. Pl. |
kita membeli buku |
buku kita beli |
|
2. Pl. |
kamu membeli buku |
buku kamu beli |
|
3. Pl. |
mereka membeli buku |
buku mereka beli |
buku dibelinya |
nominal |
Hasan membeli buku |
buku Hasan beli |
buku dibeli (oleh) Hasan |
Anm.: hier kann man sehen, daß nur durch das vorangehende Personalpronomen bestimmt ist, welche Person Handlungsträger ist, bzw. in welcher Person das Verb in der Übersetzung stehen muß.
Es handelt sich bei diesem System eher um ein (für die austronesischen Sprachen typisches) Fokussystem, bei dem entweder der Handlungsträger im Vordergrund der Satzaussage steht (Subjektfokus; "Aktiv") oder das Handlungsobjekt (Objektfokus; "Passiv").
Dieses System wird also nicht nur zur "Aktiv-Passiv"-Differenzierung genutzt, sondern zur Hervorhebung bzw. Kennzeichnung des Gesprächsgegenstandes. Der Sprecher kann sich damit (höflicherweise) in den Hintergrund rücken, oder die Betonung eher auf den Vorgang als auf den Handelnden legen.
buku saya beli kann man also auf zwei Weisen übersetzen:
Das Buch wird von mir gekauft.
Das Buch kaufe ich.
In beiden Fällen liegt die Betonung also primär darauf, daß es sich um ein ganz bestimmtes Buch handelt, und der Vorgang des Kaufens durch den Sprecher bzw. der Sprecher/der Handelnde tritt in den Hintergrund; deswegen ist eine passivische Übersetzung (Auslegung) hier nicht angebracht.
Die Syntax der BI "gleicht aus", was der Sprache an Flexionsmorphologie "fehlt". Dabei gilt der einzige und einfache Grundsatz "Regens vor Rectum": das Nachfolgende spezifiziert das Vorangehende.
Drei Beispiele:
In vielen Einführungen zur und Aufsätzen über die BI kann man lesen, daß sich die Sprache nur schwer mit den Mitteln der klassischen Grammatik beschreiben läßt. Dennoch wird immer wieder versucht, der BI das Korsett der klassischen Grammatik aufzuzwängen. Wie auch beim "Passiv", das wir schon kurz betrachtet haben, so ist es auch bei der Wortarteneinteilung schwer bis unmöglich, die altherbegrachte Terminologie auf den Befund in der BI zufriedenstellend anzuwenden.
Wenn sich auch manche Wörter mehr oder weniger klar einer Wortart zuordnen lassen (Zahlwörter, Eigennamen), so gibt es doch einen unübersehbar großen Anteil am Wortschatz, der die geläufigen Abgrenzungen überspringt, insbesondere die Grenzen zwischen Substantiv, Adjektiv, Verb und Präposition sind nur sehr verwischt zu ziehen.
Ein paar Beispiele:
jalan 'Weg, Straße', 'laufen, gehen'
sampai 'ankommen', 'bis'
dalam 'tief', 'Tiefe', 'in'
In einer verbreiteten Einführung in die BI schreibt Krause, daß "heute noch" viele indonesische Grammatiker die folgende Einteilung benutzen:
a) Grund- oder Stammwörter
Hier werden jedoch morphologische und nicht syntaktische Kriterien angelegt. Es gibt darüber hinaus auch noch weitere Kriterien, die teilweise auch auf die BI anwendbar sind, deren Darstellung aber den Rahmen dieses Textes bei weitem sprengen würde.
Macdonald teilt in seiner Grammatik die Lexeme der BI in folgende Haupt-Wortarten ein, die er z.T. weiter unterteilt:
a) Nominals (Substantive, Namen)
b) Predicatives (Verben, Adjektive)
c) Adjuncts (div. Sonstige in vielen Unterklassen)
Besonderes Augenmerk möchte ich hier auf die Präpositionen richten, die einen großen Überschneidungsbereich mit anderen Wortarten (im klassischen Sinne) haben.
Vorab eine Liste der wichtigsten Präpositionen der BI:
Präposition |
dt. Entsprechung |
andere Bedeutungen |
di |
in |
--- |
ke |
nach |
--- |
dari |
von |
--- |
atas |
oben, über |
Oberseite |
bawah |
unten, unter |
--- |
dalam |
innen, (in) |
inner-, innerlich, tief (Fluß), gründlich, innen-, unter-, Innenseite, Inneres, Tiefe, Palast, Hof |
luar |
außen, draußen |
Außenseite, Äußeres, äußerlich, außerhalb, außer-, außen- |
muka |
vor, vorne |
Gesicht, Vorderseite, Oberfläche, kommend(e), nächst(e) |
belakang |
hinter, hinten |
Rücken, Rückseite, später |
sebelah |
neben, angrenzend |
Hälfte, Seite (li/re), Oberseite, auf ... zu, Richtung... |
dekat |
neben |
nahe |
tengah |
mitten |
Mitte |
antara |
zwischen |
Zwischenraum, Abstand |
dengan |
mit |
und |
Di, ke und dari sind sogenannte Grundpräpositionen, die keine andere Bedeutung und Funktion haben. Die anderen sind sonstige Präpositionen, die zumeist mit den Grundpräpositionen zusammen gebraucht werden:
Die meisten Ansätze, Lexeme der BI den klassischen Wortarten zuzuteilen, greifen auf morphologisch-syntaktische Kriterien zurück. So können beispielsweise nur Substantive von den Demonstrativa ini, itu gefolgt werden:
Aus diesen und analogen Beobachtungen ergibt sich folgendes Schema als mögliche Wortarteneinteilung (jeweils mit der Wortart, Zuordnungskriterien und Beispielen für "Grenzgängern"):
Dies ist jedoch nur ein Ansatz, den sehr unscharfen Abgrenzungen zwischen den (syntaktischen) Wortarten Rechnung zu tragen. Ein Wort kann nach diesem Schema nicht eindeutig als Substantiv oder Verb bezeichnet werden, sondern vielmehr als "überwiegend substantivisch" etc.
Ein Ansatz, der sowohl die Eigenheiten der BI berücksichtigt, als auch die Wörter in syntaktische Wortarten einteilt, ist mir nicht bekannt.
Vergleiche hierzu meine Arbeit zur Wortartenproblematik in der BI.
Eine weitere lexikalisch-syntaktische Besonderheit der BI sind die sogenannten Zähleinheitswörter (auch: Classifier, (Zahl)Klassifikatoren, Hilfszählwörter), die es in vielen Sprachen (vor allem Ostasiens) gibt, die keine grammatische Kategorie "Numerus" haben. Das Substantiv in der BI ist also numerusindifferent, d.h. es hat eine Grundform, die weder Singular noch Plural im herkömmlichen Sinne hat. Kuda kann also 'Pferd', 'ein Pferd', 'Pferde', 'die Pferde' bedeuten. Durch Gebrauch und Kontext kann jedoch eine Ein- oder Mehrzahl unterschieden werden, wenn beispielsweise Zahlen oder unbestimmte Mengenangaben vor dem Substantiv stehen.
Es gibt einige Formen, die durch Iteration (mit und ohne Lautwechsel) morphologisch einen Plural bilden, der jedoch zumeist ein Artenplural ist: kuda-kuda 'Pferde, verschiedene Pferderassen, Pferde allgemein'; sayur-mayur 'Gemüse, allerlei verschiedene Gemüsesorten'. Dabei ist jedoch nicht jede reduplizierte Form ein Plural (kupu-kupu 'Schmetterling'). Auch eine "semantische Iteration" kann auftreten, also ein Hendiadyoin wie hambasahaya 'die Diener(schaft)' aus hamba 'Diener' und sahaya 'Diener'.
Darüber hinaus gibt es noch andere Formen, die aber hier aus Platzgründen nicht vorgestellt werden sollen.
Um nun diese numerusindifferenten Substantiva zählbar zu machen, greift die BI auf Zähleinheitswörter (ZEW) zurück, die das Zahlwort mit dem zu zählenden Substantiv verbinden. Jedes ZEW ist dabei einer bestimmten Klasse von Substantiven zugeordnet, die anhand von außersprachlichen Eigenschaften der bezeichneten Dinge gebildet wird, wie beispielsweise Größe oder Gestalt.
Einen parallelen Sprachgebrauch findet man auch im Deutschen und Englischen, z.B. bei
Die drei wichtigsten ZEW in der BI sind:
In der jüngeren Vergangenheit konnte ein Abnehmen der Zahl der unterschiedlichen verwendeten ZEW beobachtet werden, wobei die verschiedenen ZEW für die unbelebten Substantiva durch buah ersetzt werden. In der Umgangssprache ist der Gebrauch der ZEW optional, solange nicht se- 'ein' indefinit gebraucht wird:
Der Umfang einer solchen Ausarbeitung reicht wie angekündigt nur aus, um einen groben Überblick über diese interessante Sprache zu vermitteln und einzelne Aspekte grob anzureißen.
Ich bin im Rahmen einer Seminararbeit ausführlicher auf das Thema der Wortartenproblematik eingegangen. Diese Arbeit ist nun auch hier verfügbar.
Es gibt hier bereits eine Auswahlbibliographie zur Bahasa Indonesia.
Für Ergänzungen. Korrekturen, Kommentare und Anregungen bin ich immer dankbar. Eine Mail genügt.