Jan Wohlgemuth
Das Problem einer Wortarteneinteilung in der Bahasa Indonesia
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Im vorhergehenden Kapitel habe ich anhand von einigen Beispielen verdeutlicht, daß sich die Wörter der Bahasa Indonesia nicht nach dem Muster der klassischen Wortarten einteilen lassen. Da der durchschnittliche Sprachenlerner hierzulande vermutlich mit der klassischen Wortarteneinteilung vertraut ist, und da hier sicherlich der Vergleich mit dem Sprachsystem des Deutschen (bzw. Englischen) angewandt wird, stellt sich die Frage, wie mit der Wortartenproblematik in Lehrbüchern und Grammatiken der Bahasa Indonesia umgegangen wird. Dem gegenübergestellt werden soll im nächsten Kapitel dann die linguistische (malaiologische) Fachliteratur.
Kähler macht im Vorwort zu seiner Grammatik der Bahasa Indonesia einige Bemerkungen zur Wortartenproblematik und zur Terminologie der Indonesischen Grammatik. Er schließt sich der Auffassung "viele[r], die sich mit dem Studium indonesischer Sprachen [...] befassen"(Kähler, S. 2) an, daß die "grammatische Nomenklatur europäischer Sprachen für diese Sprachen nicht ausreicht.", macht aber zugleich klar: "Andererseits haben sich Versuche, hier Abhilfe zu schaffen, nicht durchzusetzen vermocht."(ebd.)
Im nächsten Absatz verdeutlicht er dann die Problematik der Wortarteneinteilung, u.a. am Beispiel von besar (vgl. Kap.3). Er verweist auf Teeuw, dessen Aufsatz in dieser Arbeit noch an späterer Stelle (Kapitel 5.2) vorgestellt wird, und schließt diese Bemerkungen ab mit den folgenden Worten:
"Welcher Wortklasse ein Ausdruck in der Bahasa Indonésia angehört, muß sich entweder aus dem Kontext (bzw. aus der zusammenhängenden Rede) oder aus anderen Faktoren ergeben, wie z.B. der Nachstellung eines Demonstrativpronomens oder eines Possessivsuffixes bei substantivischem Gebrauch."(ebd.)
Hier möchte Kähler also syntaktisch-distributionelle Kriterien angewendet wissen. Wobei er sofort die Einschränkung macht:
"In Fällen, wo sich auf Grund der Sprachvergleichung eine m.E. bessere Interpretation gewisser grammatischer Formen ermöglichen läßt (wie etwa bei den Formen mit di- + Verbalstamm, §26, oder mit vorangestellten pronominalen Elementen, §27), habe ich diese zugrunde gelegt, ohne den Lernenden jedoch mit langwierigen Begründungen zusätzlich zu belasten."(ebd.)
Die angekündigten Interpretationen weichen jedoch insofern nicht von der klassischen Wortarteneinteilung ab, daß Kähler lediglich erklärt, die Verbalformen mit vorangestelltem Personalpronomen des sogenannten "Passiv" oder Objektfokus (wie kubeli aus ku- 'ich' + (mem)beli 'kaufen') seien als "ursprünglich substantivisch"(vgl. a.a.O., S. 104) aufzufassen. Also sind sie, wenn überhaupt in einer älteren Sprachstufe (und in anderer Form, mit einem weiteren nominalen Element, das weggefallen ist) einer anderen Wortart zugehörig. Dies ist jedoch für die synchrone Beschreibung der modernen Bahasa Indonesia irrelevant.
Krause geht in seinem Lehrbuch der Indonesischen Sprache nur an einer Stelle auf die Wortartenproblematik ein. In Kapitel 0.1 "Einführung ins Indonesische" schreibt er:
"In den europäischen Sprachen ordnet man alle Wörter gewöhnlich traditionellen Wortkategorien [...] zu. Eine solche Zuordnung ist auf die Bahasa Indonesia zwar anwendbar, allerdings nicht von derartiger Bedeutung für die Grammatik wie bei den indoeuropäischen Sprachen. Man muß sich beim Studium der indonesischen Sprache stets der Tatsache bewußt sein, daß vielfach Wörter dieser Sprache verschiedene Funktionen haben können, d.h. daß sie nicht unbedingt nur einer einzigen Wortkategorie zugeordnet werden können." (Krause (1996), S. 14)
Dazu ist anzumerken, daß Krause dennoch im Grammatikteil seines Lehrbuches nicht auf die Einteilung in Wortarten bzw. auf die Verwendung der entsprechenden Termini verzichtet, sondern sie uneingeschränkt verwendet.
Trotzdem stellt er direkt nach der oben zitierten Feststellung eine andere Art der Wortarteneinteilung vor, die er mit den folgenden Worten einleitet:
"Aus diesem Grunde kategorisieren häufig auch heute noch indonesische Grammatiker die Lexik der Bahasa Indonesia wie folgt:"(ebd.)a) Grund- oder Stammwörter (kleinste morphematische Einheit)
b) Abgeleitete Wörter (durch Affixe erweiterte Stammwörter)
c) Reduplizierte Wörter (durch Verdopplung des Stammworts)
d) Komposita (durch Zusammenstellung von zwei oder drei Wörtern) (vgl. a.a.O., S. 14f)
Hier findet sich also noch ein alternativer Ansatz, der ausschließlich ein morphologisches Kriterium verwendet. Die auf diese Weise geschaffenen morphologischen Wortklassen haben natürlich eine ganz andere Qualität als die klassischen Wortarten; man könnte jedoch, durch einen Ausbau des Kriterienkatalogs sicherlich zu einer Wortarteneinteilung gelangen. Das scheint auch für Krause nicht völlig abwegig, schreibt er doch nur drei Absätze vorher:
"[...] ein ganzes System von Präfixen und Suffixen übernimmt in der Bahasa Indonesia wortbildende Funktionen. In beschränktem Umfang deuten diese Affixe auch grammatische Kategorien an."(a.a.O., S.14)
Durch diese Kategorien müßte dann auch wieder ein Rückschluß auf die Funktion(en) im Satz, und somit auf die Wortarten möglich sein. Jedoch wird dies nicht von Krause erwähnt.
Poetzelberger charakterisiert in seiner Einführung in das Indonesische die Bahasa Indonesia als eine
"[...] Wortsprache, deren Stärke [...] mehr auf der Ausdruckskraft des einzelnen Begriffes als auf einer streng logischen Zuordnung der in einer Aussage voneinander abhängigen Begriffe beruht."( Poetzelberger, S. 17; Hervorhebung vom Autor)
Er schreibt weiter, daß "die syntaktische Zuordnung der einzelnen Teile einer Aussage vornehmlich durch die Wahl der Wortstellung"(ebd.) erfolgt und warnt:
"Doch kann gerade diese Wortstellung auch die Bedeutung der einzelnen Begriffe verändern, da die Mehrzahl der indonesischen Grundwörter - im Sinne der klassischen Wortarten - mehrdeutig ist." ( ebd.; Hervorhebung vom Autor)
Dennoch wendet auch Poetzelberger in seiner gesamten folgenden Darstellung die Termini der klassischen Wortarteneinteilung auf die Bahasa Indonesia an.
Sarumpaet und Mackie lassen den Lektionen ihrer Introduction to Bahasa Indonesia eine Klarstellung vorausgehen, in der sie auf die Wortartenproblematik im Allgemeinen und in Bezug auf die Bahasa Indonesia ausführlich hinweisen:
"It cannot be too strongly emphasized that there is no simple correspondence between the meanings of words or the structures of sentences in languages as different as Indonesian and English [...]. Even the old-fashioned grammatical terms we use ('verbs', 'adjectives', 'prepositions', 'passive', 'voice') are not entirely appropriate." (Sarumpaet/Mackie, S. 2)
Es folgt eine Erklärung des wissenschaftshistorischen Hintergrundes sowie die Feststellung, daß es noch keine allgemein übliche neue Terminologie gebe, welche die alten Begriffe durch akzeptablere neue ersetzt, so daß die Autoren sich gezwungen sehen, die klassischen Begriffe zu verwenden (ebd.), was sie jedoch nicht ohne eine weitere Warnung tun:
"[The old familiar categories] are somewhat arbitrary at times and raise difficulties of definition which we cannot go into here, but as long as we are aware of these limitations there is little harm done in using them."(ebd.)
Hier finden sich also keine alternativen Vorschläge zur Wortarteneinteilung, dafür aber die Warnung vor dem unreflektierten Gebrauch der bisherigen Klassifikation.
Interessant ist in diesem Werk die Behandlung der Präpositionen (vgl. Tabelle 2). Hier werden nämlich dalam, atas, bawah und weitere als die eigentlichen Präpositionen angesehen, und di, ke und dari als Präfixe, die nur in einigen idiomatischen Wendungen fehlen dürfen (vgl. a.a.O., S. 36).
Macdonald teilt in seiner Indonesian Reference Grammar die Wörter in Formklassen ein:
"Words, including clitics, can be assigned to form-classes on the basis of the manner in which they interrelate with other words. But any attempt to describe these form-classes as classes of single words will encounter difficulty; though the specific function of each class can be fulfilled in cases by a single word, in other cases it is fulfilled by a group of words linked syntactically (a construct). Thus, an adequate description of a form-class will, in many cases, involve a discussion of words and constructs together." (Macdonald, S. 71)
Hier sieht es zunächst aus, als legte er ausschließlich syntaktisch-distributionelle Kriterien an, um zu dieser Einteilung zu gelangen. Für die Bahasa Indonesia nimmt Macdonald drei große Formklassen an, die sich jeweils in Unterklassen einteilen lassen: Nominals, Predicatives und Adjuncts.
Die Nominals charakterisiert er dann kurz wie folgt:
"The class of nominals is subdivided into a number of subclasses. These are: Pronouns [...], Nouns [...], Numeratives [...], Counter Nouns [...], Determiners [...], and Nominalizations [...]." (a.a.O., S. 71)
Nach welchen Kriterien genau diese Einteilung zustande kommt, schreibt Macdonald nicht. Weiter, zu den Predicatives, führt er aus:
"The name 'Predicative' has been assigned to this form-class because its members serve as predicates in sentence structures [...], although they are not the only type of predicate which can be found. Predicatives include almost all morphologically complex forms which have not been described as nominals; in particular those formed with the prefixed ber-, meN-, and ter- are predicatives. Most forms with the prefixes se-, and those forms with ke--an which are described as verbs also belong to the class of predicatives. Morphologically simple forms which have the same pattern of distribution as these are also predicatives."(a.a.O., S. 91)
Hier legt er also syntaktische und morphologische Kriterien an, und nimmt einige vage Abgrenzungen vor ("almost all ... unless").
"Adjuncts comprise a number of forms which are generally morphologically simple, and which, when complex, show no overall pattern of morphological patterning. They serve a variety of functions in different constructs, but do not serve as the head of a construct (except occasionally, when one adjunct is modified by another)."(a.a.O., S. 98)
Die Adjuncts unterteilt Macdonald weiter in modifiers, ordinators, connectives und subordinators, ohne jedoch deren Eigenschaften ausführlich zu beschreiben.
Wie sich schon an den hier wiedergegebenen Zitaten zeigt, legt Macdonald entgegen seiner Ankündigung auch morphologische Kriterien an. Insgesamt nimmt er seine Wortarteneinteilung sehr vage, inkonsequent und ohne exakte Erläuterung vor (die hier zitierten Ausführungen sind bereits die vollständigen Erklärungen), so daß ich diesen interessanten Ansatz leider nicht im folgenden Kapitel ausführlich darstellen kann.
Nach dieser Bestandsaufnahme aus Lehrbüchern und Grammatiken soll im folgenden Kapitel die linguistische Diskussion der Wortartenproblematik in der Bahasa Indonesia anhand ausgewählter Arbeiten dargestellt werden, die Ansätze zu möglichen Wortarteneinteilungen vorstellen.